Nun habe ich also einen Entwurf mit der Geschichte (der Anfang recht detailliert, zum Ende hin zunehmend gröber, siehe Schritt 1), eine Vorstellung zu den Charakteren (Schritt 2) und Handlungsorten (Schritt 3), sowie eine Festlegung zur Erzählperspektive (Schritt 4). Die eigentliche Basis ist gelegt. Ein letzter Check, ob die Schritte 1 bis 4 aufeinander abgestimmt sind, und dann kann es losgehen. Wenn richtig vorbereitet, sollte das eigentliche Schreiben nun relativ flott von der Hand gehen. Vorausgesetzt, man bringt den Mindset und die Zeit mit ...
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Herausforderung 1: Mindset
Ich lese immer wieder von Autoren, welche als größten Widersacher den inneren Schweinehund sehen. Sich wirklich hinzusetzen um Seite nach Seite mit Wörtern zu füllen, ist für viele Schriftsteller nicht unbedingt der Teil des kreativen Gesamtprozesses, der ihnen wirklich Spaß macht. Das Entwickeln der Geschichte, das Schaffen einer neuen Welt, das ist spannend. Aber das sich Hinsetzen und tatsächliche Ausformulieren ist vielen lästig. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es nicht mit einer kurzen Aktion von wenigen Stunden getan ist. 300, 400 oder 500 Seiten zu schreiben, dauert. Lange. Monate, wenn nicht Jahre. Daher wird aus meiner Sicht im Wesentlichen eines benötigt: Durchhaltevermögen.
Für mich persönlich gibt es eigentlich nur einen Weg, das Verfassen anzugehen: Sich hinsetzen, die ersten paar Zeilen seines "Drehbuchs" lesen, sich einen Ruck geben und einfach anfangen. Schreiben, unabhängig davon, ob besonders schöne Sätze dabei herauskommen. Ignorieren, dass sich Rechtschreibfehler einschleichen. Einfach nur die Kurzbeschreibung ausformulieren, die Ideen mit Leben füllen, die Bulletpoints sinnvoll und so möglich interessant verbinden. Denn hier zeigt sich in der Regel, inwiefern die Story wirklich bereits
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durchdacht war. Wie kommt die Hauptperson denn nun wirklich von Ort 1 zu Ort 2? Was geht ihr dabei durch den Kopf?
Zur Not lässt man Übergänge erstmal offen und schreibt da weiter, wo geistig wieder klare Bilder vorliegen. Und wenn es richtig gut läuft, die Finger über die Tastatur fliegen und man in Gedanken bereits weiter ist und die Hände nicht hinterher kommen, dann kann es sogar passieren, dass sich spontan, ohne Überlegung, neue Dinge ergeben. Witzige Szenen; eine unerwartete, nicht geplante Handlung einer Figur. Man stellt fest, dass die Geschichte so etwas wie ein Eigenleben bekommt.
Nach diesem eher unkontrollierten, fast schon hastigen Prozess, halte ich in der Regel ein Stück Text in den Händen, welches noch nicht lesbar für andere ist, da grob herunter geschrieben und voller inhaltlicher und grammatikalischer Fehler. Aber die Geschichte hat Substanz bekommen, besteht nicht mehr nur aus einzelnen Ideen.
Damit dieser kreative Prozess aber so richtig zum Tragen kommt, braucht es nicht bloß Durchhaltevermögen, sondern vor allem auch:
Herausforderung 2: Zeit
Sehr viel Zeit sogar. Ich habe mir abgewöhnt, in Stunden zu denken. Vielmehr nehme ich mir vor, bis zu einem gewissen Monat einen bestimmten Anteil einer Geschichte geschrieben zu haben, bzw. bis zu einer bestimmten Szene gekommen zu sein. Interessanterweise stellen sich oft relativ kurz beschriebene Szenen als die wahren Seitenfüller heraus, während detailliert vorschattierte Abschnitte in wenigen Sätzen abgehandelt sind. Es bleibt also
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auch für mich jedes Mal spannend.
Der oben angesprochene "Flow" des Schreibens ergibt sich - zumindest bei mir - nicht, wenn ich nur wenige Minuten habe, quasi zwischen Tür und Angel versuche zu schreiben. Ich muss mindestens eine Stunde Zeit haben, um zuerst wieder in die Geschichte hineinzufinden (üblicherweise lese ich zuerst die Ergebnisse der letzten Sitzung), gedanklich tief genug in die Figuren einzudringen und dann auch wirklich neuen Text fabrizieren zu können.
Beim jetzigen Manuskript "Freizeitpark" habe ich den Übergang vom "Plotten" zum "Schreiben" etwa im März geschafft. Erstaunlicherweise ging mir das Schreiben dieses Mal sehr leicht von der Hand. Das heißt selbstverständlich nicht, dass jeder geschriebene Satz oder auch nur jede verfasste Szene nachher im fertigen Buch enthalten sein wird. Doch es ist erfreulich, wenn man nicht bei jedem zweiten Satz hängen bleibt. Jede Pause vom Schreiben ist - zumindest bei mir - eine unerwünschte Flucht aus der Kreativität. Denn das Nachdenken darüber, wie es weiter geht, zeigt oft an, dass das Buch doch noch nicht so richtig "lebt". Wenn die Charaktere realistisch sind, dann ergeben sich aus dem Umfeld und den Aktionen der anderen Charaktere automatisch Handlungen.
Ich weiß noch, dass ich Mal einen Kommentar von Kai Meyer gelesen habe, der meinte, dass eigentlich jeder die Zeit zum Schreiben hat. Eine Stunde pro Tag sollte mindestens eine korrigierte Seite Text hervorbringen können. Somit würde nach einem Jahr ein Roman vorliegen.
Damit hat er sicherlich recht, aber mit dem Schreiben an sich ist es ja nicht getan. Die Vorbereitung ist meiner Meinung nach essenziell, ebenso wie die "Nachbereitung" (Korrektur, Probelesen, Straffen, ...). Mal ganz davon abgesehen, dass hin und wieder die Arbeit an einem Roman ruhig eingestellt werden sollte, um Abstand zu gewinnen. Warum? Dazu mehr im nächsten Beitrag ...
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